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Neue Straßennamen: Die Chance der Debatte

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infostele-afrikanisches-viertelKommentar Wir haben viele Jahre Diskussion hinter uns, in denen es um die gut gemeinte Umbenennung von Straßen im Afrikanischen Viertel geht. Niemand will, dass mit Straßennamen Kolonialverbrecher geehrt werden. Die aktuelle Debatte kann viel dazu beitragen, handwerkliche Fehler bei den neuen Straßennamen zu vermeiden.

Was falsch lief

  1. Die Jury aus Vertretern postkolonialer Initiativen, Lokalpolitikern und Gewerbetreibenden, die im Mai eine Empfehlung für den Bezirk abgab, war intransparent zusammengesetzt. Für die Glaubwürdigkeit der Entscheidung kommt es darauf an, dass auch die Jurymitglieder über jeden Zweifel erhaben sind. Auch ist es nicht gut, dass Anwohner und ausgewiesene Historiker in der Jury fehlen.
  2. Aus 196 Vorschlägen aus der Bürgerschaft musste die Jury auswählen. Jetzt kommt escdarauf an, dass die neuen Namen eine hohe Akzeptanz erhalten. Die bezirkliche Vorgabe, dass nur Personen, idealerweise Frauen, ausgesucht werden sollen, war falsch, weil der Grund für diese Einengung im Dunklen blieb.

Akzeptanz durch Diskussion

Schon durchgestrichen: Lüderitzstraße

Gut, dass jetzt die öffentliche Diskussion in Gang gekommen ist. Dadurch hat das Thema Öffentlichkeit bekommen, was sich die afrikanische Community im Kiez seit Jahrzehnten wünschte. Die Jury diskutierte bisher vor allem hinter verschlossenen Türen. Die Geheimniskrämerei hat der Akzeptanz für neue Namen unter den 3.000 Anwohnern und Gewerbetreibenden nicht gut getan. Dabei müssen sie am Ende mit den Namen leben und die Kosten für die Änderungen ihrer Ausweise und Visitenkarten tragen. Es ist ihnen nur schwer übelzunehmen, wenn sie sich Namen wünschen, die sich leicht aussprechen lassen. Diesen Wunsch als rassistisch zu bezeichnen, greift zu kurz. Vor allem jedoch verhindert der Rassismusvorwurf, dass Befürworter und Skeptiker miteinander ins Gespräch kommen. Besser wäre es, jetzt die Chance zu nutzen, um zu erklären, warum die Umbenennungen notwendig und warum die neuen Namen besser sind.

Die nun einsetzende breite Diskussion hat bedenkenswerte Punkte ans Licht gebracht. So wurde einer der Namensvorschläge zu recht kritisiert. Es kann nicht sein, dass statt Kolonialverwaltern nun mit Königin Nzinga eine Sklavenhändlerin geehrt werden soll.

Warum nicht Länder und Städte?

Manche favorisieren eine schnelle Lösung. So wie die Petersallee 1986 per Verwaltungsakt einfach umgewidmet wurde, ließe sich auch bei Lüderitzstraße und Nachtigalplatz vorgehen, sagen manche. So könnte der Platz im Norden des Afrikanischen Viertels einfach nach einem anderen Herrn Nachtigal und die Lüderitzstraße nach der Stadt Lüderitz in Namibia benannt werden. Aber gerade scheinbar einfache Lösungen haben es natürlich oft in sich.

Wieder andere fragen: Warum überhaupt Menschen würdigen? Flüsse, Länder und Städte mit deutschem Afrikabezug gäbe es genug. Warum wurde nicht in Betracht gezogen, den erst 1990 unabhängig gewordenen Staat Namibia  – dessen Städte Swakopmund und Windhuk ebenfalls einen Straßennamen im Viertel besitzen – als Namensgeber heranzuziehen? Geht uns dieses Land, das noch am deutlichsten die Spuren deutscher Kolonialgeschichte trägt, heute etwa nichts an? Auch Togo, Kamerun und Sansibar haben schließlich Straßennamen im Wedding.

Chance der Diskussion

Es liegen viele Vorschläge auf dem Tisch. Nun kommt es auf Sorgfalt und praktikable Namen an, sollen die neuen Straßennamen auch auf breite Akzeptanz stoßen. Unreflektierte Rassismusvorwürfe gegen alle, die das Prozedere kritisch sehen, bringen die Diskussion nicht voran. Eine Umbenennung, die nach kurzer Zeit wieder rückgängig gemacht werden müsste, wäre ein Pyrrhussieg für die Aufarbeitung der Kolonialgeschichte.

Die Diskussion sollte jetzt nicht für beendet erklärt werden. Vor allem sollte die Jury aus ihrem Geheimversteck herauskommen. Der Schwung der Debatte sollte genutzt werden. Postkoloniale Aktivisten, die sich für das wichtige Thema Aufarbeitung deutscher Kolonialgeschichte einsetzten, haben nun endlich die von ihnen gewollte Aufmerksamkeit. Natürlich melden sich da auch die Konservativen zu Wort. Das muss man aushalten. Stadträtin Sabine Weißler, es besteht jetzt die Chance auf echte Beteiligung und echte Diskussion. Ergreifen Sie die Gelegenheit beim Schopf!

Text: Redaktion

Der Beitrag Neue Straßennamen: Die Chance der Debatte erschien zuerst beim Weddingweiser (Weddingweiser).


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