Kaufen, verwenden bis zum ersten kleinen Schaden, wegschmeißen, neu kaufen – nach diesem Zyklus konsumieren wir derzeit, seien es Kleidung, Möbel oder Elektrogeräte. Aber was wäre, wenn man diesen Zyklus durchbrechen könnte? Das hieße dann: Kaufen, verwenden bis zum ersten Schaden, reparieren, weiter verwenden. Oder im Falle von Kleidung: Kaufen, verwenden bis es nicht mehr passt oder gebraucht wird, spenden, zu neuen Sachen umnähen. Eben diese beiden Möglichkeiten wurden am 26. Januar in der ZukunftsWerkStadt Wedding bei Panke e.V. in der Gerichtstraße durchgespielt. Um Nachhaltigkeit und Re- bzw. Upcycling ging es bei der Vorstellung des Nähprojekts Vergissmeinnicht und des Kreuzberger Repaircafés bei Kunst-Stoffe-Berlin. Es wurde aber nicht nur zugehört: Im Anschluss ging es direkt an die Planung für ein Repair-Café im Wedding!
Upcycling – nachhaltig und künstlerisch
Jenny Weber, als Referentin bei der Caritas Reinickendorf unter anderem für die Young Caritas zuständig, stellte das Upcycling Projekt Vergissmeinnicht vor. In der Reinickendorfer Kleiderkammer nähen ihre freiwilligen Helferlein dabei aus Sakkos, die zwar viel gespendet, aber wenig abgenommen werden, schicke Sportbeutel; aus Karohemden werden rustikale Kissenbezüge. Die Erlöse aus dem Verkauf (ein Kissenbezug kostet 10 €, eine Tasche zwischen 19 und 25 €) werden für soziale Zwecke gespendet, zuletzt für die vom Oranienplatz vertriebenen Flüchtlinge. „Das Besondere an dem Projekt ist die Verbindung von sozialem Engagement, Kreativität, Handwerk und Begegnung,“ erklärt Jenny.
Mitarbeiter und Mitarbeiterinnen werden immer gesucht, sowohl für Design und Anfertigung der Produkte als auch für die Vermarktung. Nähen können muss man nicht, um mitzumachen: Den kostenlosen Nähworkshop gibt es bei den wöchentlichen Treffen in der Kleiderkammer. Nähmaschinen und Material stehen zur Verfügung, auch wenn es damit langsam knapp wird. Als Jenny zu Beginn der Aktion 2012 mit einer Anzeige bei der BSR um Materialspenden bat, kamen zwar 20 Nähmaschinen zusammen, viele davon sind aber veraltet. Menschen, die Nähmaschinen nicht nur bedienen, sondern auch reparieren können, sind also besonders willkommen, gespendete Overlock-Maschinen ebenso. Auch an Platz mangelt es der Initiative leider, in den Räumen der Kleiderkammer wird es langsam eng.
Dadurch lässt sich Jenny aber nicht aufhalten: Im Moment arbeitet sie daran, das preisgekrönte Projekt bundesweit bekannt zu machen. Beim Wettbewerb „Make a difference, make a bag“ können Schulklassen, Jugendgruppen, Einrichtungen und natürlich private Nähfreunde eine Nähanleitung herunterladen und sich dann zuhause oder in der Schule daran machen, ihre eigene kreative Tasche aus alter Kleidung zu nähen. Langfristig wollen Jenny und ihre Upcycler auch das Angebot an Vergissmeinnicht-Produkten ausbauen: „Im Moment diskutieren wir aber noch, in welche Richtung es gehen soll: mehr Produkte aus Sakkos oder Taschen aus verschiedenen Materialien. Natürlich wollen wir dabei unserer Linie treu bleiben, aber es bleibt trotzdem Platz zum kreativen Ausprobieren.“
Treffen statt Wegschmeißen: Ein Repair-Café für den Wedding
Nicht nur alte Kleider können ein zweites Leben erhalten: Auch was bei Messen, Theateraufführungen oder privaten Heimwerkerprojekten übrig bleibt, muss nicht gleich auf dem Müll landen. Im Materiallager Kreuzberg finden Holz-, Metall-, Kunststoff-, Papier- und andere Reste Platz, bis sie eine neue Berufung finden – im Kunstunterricht zum Beispiel oder in den Werken der Resident Artists, Künstler die für eine bestimmte Zeit die Räume und Materialien der Kunst-Stoffe nutzen.
Besonders interessant für die WeddingWandler: Das „Repaircafé“, das in Kreuzberg begeisterten Anklang findet: Der nächste Termin ist schon komplett ausgebucht, es gibt jedes Mal Wartelisten. Das Prinzip: Wer ein kaputtes Möbelstück, Elektrogerät oder ähnliches hat, meldet sich zum einmal monatlich stattfindenden Café an und bekommt dort gezeigt, wie er das Problem selbst beheben kann. Das Selbermachen ist dabei besonders wichtig, erklärt WeddingWandlerin Kristina Kuliҫova, die selbst bei Kunst-Stoffe aktiv ist: „Wenn mein Kopfhörer einen Wackelkontakt hat und ich tausche den um, bekomme ich einen neuen, der kaputte wird weggeworfen, weil sich die Reparatur für das Geschäft nicht lohnt. Wenn mir aber jemand zeigt, wie man so etwas repariert, merke ich: ich schaffe das selbst.“ Neben dem Ziel des nachhaltigen Konsums, geht es bei einem Repair-Café aber auch um nachbarschaftliche Begegnung: „Viele Leute aus der Nachbarschaft, zum Beispiel ältere Menschen, kommen auch einfach, um Zeit mit anderen zu verbringen, zu reden.“
Nach diesem Vortrag waren sich WeddingWandler und Interessierte gleich einig: Ein Repair-Café muss her! Zehn Zuhörer blieben zum spontanen Planungstreffen, um die Idee gleich konkreter werden zu lassen. Eine gute Nachricht gab es gleich zum Auftakt: Stattfinden kann das Repaircafé in den Räumen von Panke e.V. Entsprechend beschwingt plante die Runde gleich die ersten Schritte: Als ersten Themenschwerpunkt soll es Anfang März ums Nähen gehen, wofür Jenny Weber die Nähmaschinen von Vergissmeinnicht zur Verfügung stellen würde. Weitere Schwerpunkte, zum Beispiel Elektrotechnik oder Fahrradreparaturen, sollen folgen. Informationen zum Repaircafé wird es in der gleichnamigen Fokusgruppe auf dem WeddingWandler-Blog geben. Nachhaltiger Konsum wird also auch im Wedding bald ein bisschen mehr zur Realität.
Der erste Probelauf für ein Repaircafé findet am Mittwoch, den 19. März, von 17:00 bis 20:00 Uhr in der PANKE, Gerichtstr. 23, statt. Bei dieser Gelegenheit wird der Schwerpunkt auf der Reparatur kaputter Kleidungsstücke liegen. Das Projekt *vergissmeinnicht* unter der Leitung von Jenny Weber (young caritas) stellt dafür Maschinen und Wissen zur Verfügung.
Darüber hinaus sind sich Alexandra Jaik (WeddingWandler) und Thorsten Haas (Verein panke.info), zwei der Initiatoren der Veranstaltung, einig, dass die Reihe „ZukunftsWerkStadt Wedding“ bald fortgesetzt wird, und darin als nächstes die Themen Ernährung und Mobilität aufgegriffen werden.
Text: Dorothee Barsch
Beitrag über die WeddingWandler
Näh-/Textiles Repair-Café
Mi, 19. März, 17-20 Uhr
PANKE, Gerichtstr. 23, 13347 Berlin
