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Kameruner Straße Kiez

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Kameruner Str.

Bantou Village, Kameruner Str.

Auf einigen Karten endet der Wedding. Mitten im Leben. Ich hab’s gesehen. Er endet mit der Seestraße. Nördlich genau genommen. Nördlich vom Brüsseler Kiez. Wer hat diese Karte wohl in Druck gegeben? Auch nördlich der Seestr. ist’s noch immer der Wedding. Der kleine Streifen bis zur Transvaalstr. zum Beispiel. Noch nicht ganz das Afrikanische Viertel und dessen Gesicht, aber doch ganz der Wedding mittemang. Ein schöner Zwischenstop für die Müllerstr. immerhin. Bevor es weiter in Richtung Reinickendorf geht. Und wer einmal in Reinickendorf war, der kommt gern hierher zurück. Nicht wegen der Bowlingbahn, nicht wegen dem Kino, sondern der schönen Dinge wegen.

Der Wedding schläft

Wer das Leben sucht, der wird’s auch finden. Tagsüber. Abends. Nachts. Nördlich. Die Kameruner Str. hat Potential hierfür. Der letzte Besuch im Weddingweiser schon über ein Jahre her. Hier – Zeit für ein Update. Ein Zentrum in Randlage, besser: im Übergang. Manche meinen im Niemandsland. Dazwischen. Nicht das Café. Meile mittemang. Zwischen Müller- und Togostr., zwischen Restaurant und Dönerpavillion, zwischen Späti und Coiffeur. Mindestens drei davon. Der Lieblings-Coiffeur von Massiv sei auch dabei. Im Bild aber nicht zu sehen.

Marschrichtung Nord. Irgendwo zwischen Müller- und Afrikanische Str. Zwischenstop. Wer hier versucht, um 3:00h morgens Milch und/oder Bier zu kaufen, der wird merken, der Wedding ist nicht immer wach. Keine Stadt in der Stadt, die niemals schläft. Das liegt ihm nicht. Nur ausgesuchte Spätis sind zu später Stunde noch geöffnet. Nicht selten hab’ ich das Geld einem Schlafenden auf die Kasse gelegt. Nicht immer passend, muss ich gestehen. Aber wer schläft, den weckt man nicht. Das hat meine Großmutter mich gelehrt.

Von Lingua franca bis Lüderitz

Kameruner Str. Eine Meile im dazwischen. Im vorderen Teil schon gleich wird’s international. Menschen aus den Länder Afrikas, lingua franca französisch. Und deutsch. Hier trifft man sich. Im Politischen bei AfricAvenir, im Bantou Village, in der sympathischen Monimba Lounge und bei Monsieur Ebeny natürlich auch. An dessen neuen Platz. Auf gleicher Höhe aber auch, was andere vielleicht die einzigartige Mischung im Wedding nennen: zwei Etablissements des horizontalen Gewerbes. Deutlicher wird es nicht werden. Die Mischung eben macht’s. Was des nachts im Gewerbe passiert, vermag ich nicht zu sagen. Auf der Straße jedenfalls ist der Wedding ausgelassen.

Café Lüderitz. Ja, das gibt es auch. An den Scheiben nennt sich’s Frederick’s. Das koloniale Erbe wurde den Machern später erst gewahr. Also nennt sich’s Frederick’s. Eine moderne Café-Bar an der Ecke, obwohl neu ist sie Teil des Ganzen. Manche sage, es sei ein Raumschiff. Es wolle nicht so recht passen. Seine Gäste aber sehen recht bodenständig aus. Der Name erinnert mich an eine Nachbarin. Vor einiger Zeit schon ist sie ausgezogen. Raus aus’m Wedding. Die Polizei fragt bis heute nach einem ihrer Verflossenen. Ein Blick in die Facebook-Freundesliste der Betreffenden könnte Name und Aufenthaltsort des Gesuchten schnell ergründen. Die Kontaktbeamtin wird glücklich sein, wenn sie erfährt, dass sie demnächst an der Westküste Australiens tätig werden wird.

Späti, Blickrichtung Lüderitzstr.

Späti, Blickrichtung Lüderitzstr.

Kunst und Späti-Kultur

Tritt man über die Straße mit dem Namen Lüderitz, so ändert sich der Eindruck und das ganz radikal. Und ich spreche nicht von der irreführenden Dichte Deutschlandfahnen, die im Winkel kurzzeitig erscheinen. Ich spreche von der Straße selbst. Dem Leben. Vor dem Atelier Anna Kiryakova. Menschen, gut gekleidet, leger, englisch sprechen sie. Und deutsch. Ob die auch hier wohnen, frage ich mich. Einige von ihnen sicherlich. Es gibt Häppchen. Oliven, Tomaten, das hors d’ouevre Programm. Für einen Moment beschleicht mich das Gefühl, dass diese Menschen sich auch im Frederick’s wohlfühlen könnten, sie den Charme der Straße gegen den einer Bar jedoch bevorzugen. Das habe ich schon öfter erlebt. In Neukölln zum Beispiel. Noch nicht allzu lange her. Doch bange muss einem nicht sein. Der Wedding ist nicht Neukölln. Das Klischee bemühen, hier im Wedding täte sich was, das will ich nicht. Liegt mir auch gar nicht. Urbane Räume sind in Bewegung. Das ist ihre Natur. Hören sie auf damit, wie soll man’s nennen? Das Kastanienallee-Syndrom?

Möchte man Distanz zu alledem wahren, skeptisch bleiben, die anliegenden Spätis bieten ein umfangreiches Sitz- und vor allem Getränkeangebot. Dabei zu sein ohne sich beteiligen zu müssen. Die Entwicklung abwarten. Aus der Ferne beobachten. Und doch irgendwie dabei sein. Bodenhaftung wahren. Mit zwei Beinen in der Kiezstruktur. Ein nicht zu unterschätzender Aspekt. Die unabdingbare Dönerbude wie Shisha-Bar erledigt den Rest. An der Ecke Togostraße dann aber findet’s seinen Ausklang. Mancher Tourist findet’s hier des nachts schon recht dunkel. Hier, hinter’m Bioladen. Hinter der Scriptings Galerie. Dort, wo man gern mit Gästen öffnet. Auch aus anderen Bezirken. Eine Ausstellungs-eröffnung als Bordsteinfest. Mit Grillgut. Dann und wann gehört’s dazu, bevor die Straße ihren Ausklang findet.

Bauernhofladen Togostr.

Bauernhofladen, Togostr.

Wer hingegen zeitig in der Kameruner Str. streunert, am Wochenende beispielsweise oder bei Tageslicht, der kann im Frac du Lac nach passendem Outfit stöbern. Oder in den angrenzenden Straßen Passendes suchen. In der Montagehalle oder dem Bauernhofladen ohne Namen zum Beispiel. In letzterem natürlich keine Kleidung, sondern Nahrungsmittel. Nicht täglich vielleicht. Aber dafür natürlich gewachsen und ehrlich.

 

Im wahren Leben Geschichtspädagoge, schreibt Tobias als Johnny einmal wöchentlich unter http://weddingerberg.de einen Elternblog. Aus Papa-Sicht. Worum es geht? Über die ersten Grundschritte als Vater, über das Leben mit einer töchterlichen Naturgewalt und die Fragen, die dieses radikal neue Leben aufwirft. Über den Hauch Prenzlberg im Wedding. Über den Alltag im Afrikanischen Viertel. Schreiben, ohne erhobenen Zeigefinger. Manchmal mit einem Augenzwinkern. Manchmal ohne. Bevorzugt dienstags im Blog, ansonsten täglich frisch als @weddingerberg auf Twitter zu finden.



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