Überall dieser Müll! Aber Cecilia Stickler will nicht meckern. Seit fünf Jahren sammelt sie den Müll vor ihrem Haus im Brunnenviertel stattdessen auf. Für ihr Engagement hat sie gerade den Umweltpreis Mitte bekommen. Doch es ist nicht Freude, die Cecilia Stickler in diesem fiktiven Brief an sagenhaften David ausdrückt. Sie ärgert sich vollmundig über einen Nachbarn und den gemeinsamen Vermieter, weil sie sich durch sie beide in ihrem Engagement behindert fühlt.
Lieber David, sei mir nicht böse, wenn ich mich mit Dir so ein klitzekleines bisschen vergleiche, aber: Ich wohne seit fünf Jahren hier im Brunnenviertel – am schönen, grünen Vinetaplatz. Fühle mich dort sehr wohl. Echt! Nur: der Müll stört mich. Und ehe ich groß lamentiere, habe ich mir von der Berliner Stadtreinigung Greifer und Tüten geben lassen und so gehe ich seit fünf Jahren früh am Morgen – wenn man älter wird, schläft man halt nicht so viel – und sammele unendlich viele Eispackungen, Kaffeebecher, Tempos und was der Mensch sonst noch nicht mehr braucht, auf.
Nun gut, die Zeit verging, ich freute mich ganz bescheiden, wenn morgens die Spielplätze und der Vinetaplatz sauber waren. Oft bedankten sich Anwohner freundlich. Aber nun fand mein Nachbar, dass es an der Zeit war, einen neuen Streit mit mir anzufangen. Wir haben schon viele schwachsinnige Fights gehabt, und unser gemeinsamer Vermieter knickt jedes Mal ein und gibt ihm Recht – egal wie schwachsinnig der Streit war. Dieses Mal beschloss er, mich bei der Wohnungsbaugesellschaft wieder mal anzuzeigen, weil ich – aus seiner Sicht rotzfrech – den Müll in unseren Hausmüll entsorgte. Die Wohnungsbaugesellschaft sandte mir postwendend eine schriftliche und offizielle Untersagung zu, mit dem Vorschlag, ich könne doch den Müll sortieren.
Packungen in die gelbe Tonne – diese würde keine Kosten verursachen (seit wann ist sie umsonst?) und den Rest könnte ich doch in die orangefarbenen, öffentlichen Abfalleimer mit der klitzekleinen Öffnung reinquetschen. Doch die werden von meinen Mitmenschen offenbar bei Testosteronabbau gerne immer wieder aufgetreten, so dass der Müll wieder auf der Straße liegt. Ich sah mich schon dort stehen, Hundekackbeutel rechts, Kaffeebecher links, volle Windel (hoffentlich platzt sie nicht..) rechts, leere CapriSonne-Tüte links. Netterweise bot man mir gleichzeitig an, mir mehrere Greifer und Tüten zur Verfügung zu stellen. Mir ist noch nicht ganz klar, was ich jetzt mit meinem Müllsammel-Verbot anfangen soll. Hilft mir jemand das zu erklären?

Cecilia Stickler (3. von rechts) bei der Verleihung des Umweltpreises Mitte im Schul-Umwelt-Zentrum.
Die Tatsache, dass ich mit einigen fleißigen Vinetaplatz-Kümmerern soeben den ersten Preis in der Kategorie Initiativen des Umweltpreises Berlin-Mitte 2016 gewonnen habe, hat den Kleinkrieg nicht beeinflusst. Alle Versuche einzulenken sind bis jetzt gescheitert. Im Wind flattern die Plastiktüten und die Tempotücher, die Kaffeebecher rollen so still vor sich hin … Unser Vermieter sitzt den Kampf aus. Still ruht der See und ich frage mich, warum der Nachbar immer Recht bekommt. Was hat er, was ich nicht habe? Und lieber David – hier trennen sich unsere Wege. Anders als du habe ich leider nicht gewonnen… Soll der Vinetaplatz doch in Müll ersticken!
Text: Cecilia Stickler, Fotos: Dominique Hensel
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