„Das Weltall ist unendlich groß. Das entspricht der Größe von unendlich vielen Fußballfeldern.“ (Wolfgang Herrndorf: Diesseits des Van-Allen-Gürtels)
Der Wedding ist, rein physikalisch betrachtet, nicht unendlich groß, aber er bietet eine unendlich erscheinende Vielzahl von Möglichkeiten. Eine Möglichkeit, einen schönen Frühlingstag zu verbringen, ist ein Besuch des „Deichgraf“ am Nordufer. Es gibt einen gemütlichen Biergarten, von dem man den Schiffahrtskanal sehen kann. Auf der anderen Seite des Kanals sind Industrieanlagen, kein Ausflugsdampfer schippert vorbei. Dieser Teil Berlins wurde vom Tourismus bisher verschont und der Gast kann die Ruhe am Wasser genießen.
Das Gasthaus selbst ist angenehm unspektakulär und sympathisch mit seiner langen Holztheke und den in Würde alt gewordenen Holztischen und –stühlen. Hier ist Berlin wie es eigentlich ist. Keine Touristen, keine Sehenswürdigkeiten, normale Menschen mit Berliner Dialekt bei Kaffee und Bier. 1904 wurde das Lokal gegründet und zu seinem hundertjährigen Bestehen 2004 umfassend renoviert. Es gibt hier traditionelle deutsche Küche wie Rinderleber „Berliner Art“ und Schnitzel „a la Maier“, aber auch Auberginenschnitzel und Flammkuchen. Daneben gibt es zu Bier und Wein appetitliche Kleinigkeiten wie hausgemachte „Grafletten“ (Mini-Buletten) und Nachos.
Der „Deichgraf“ hat täglich von neun Uhr morgens bis ein Uhr nachts geöffnet, warme Küche gibt es von 11:30 bis 23 Uhr. Frühstück gibt es ab neun Uhr, die Frühstückskarte reicht vom „Mäusefrühstück“ für 2,80 € bis zum opulenten „Deichgraf Frühstück“ für zwei Personen inklusive Sekt für 21,30 €. Die Portionen sind groß, die Preise – wie im Wedding üblich – äußerst überschaubar.
Wolfgang Herrndorf, der berühmte Schriftsteller, dessen Werk „Tschick“ Millionen Leser gefunden hat und das in 24 Sprachen übersetzt wurde, wohnte am Nordufer. Der „Deichgraf“ war sein Stammlokal. So unaufgeregt wie in diesem Gasthaus geht es im Wedding zu, den Herrndorf gegen die hippe Mitte Berlins eingetauscht hat. Leider bekam er einen Hirntumor. Das Schreiben und Sprechen fiel ihm von Tag zu Tag schwerer. Er hat den Krebs getötet, bevor der Krebs ihn töten konnte. Am 26. August 2013 ist er am Nordufer aus dem Leben geschieden.
Autor: Matthias Eberling, kiezschreiber.blogspot.de
Nordufer 10 , Ecke Torfstr.
Täglich 9 Uhr bis 1 Uhr
