Windlichter weisen den Weg und führen die Besucher den bewaldeten Hang hinauf. Ich kann es kaum glauben, dass man sich hier noch in Berlin-Mitte befindet. “Willkommen im verwunschensten Freiluftkino Berlins”, begrüßt der Vertreter des Kinobetreibers die Besucher zum Saisonauftakt in den Weddinger Rehbergen. Eine Waschbärfamilie wohnt auf dem Gelände, und ein Greifvogel habe sich auch schon einmal auf den Sitzbänken niedergelassen. Wer sich auf die Freilichtbühne Rehberge einlässt, glaubt, im Zauberwald angekommen zu sein…
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Wer die Freilichtbühne erlebt, die sich seit 1935 sanft in die Sanddünen im nördlichen Teil des Volkspark schmiegt und es an Charme fast mit der Waldbühne aufnehmen kann, sieht ihr die bewegte Geschichte kaum noch an. 1946 wurde den Berlinern beispielsweise “Was ihr wollt” von William Shakespeare geboten. Und 1980 führte eine Theatergruppe einen Monat lang “Die lustigen Weiber von Windsor” auf. Nina Hagen trat in den achtziger Jahren ebenfalls auf dieser Bühne auf. Der bauliche Zustand der Bühne ließ indes immer weiter zu wünschen übrig. Dem Bezirk Wedding fehlte einfach das Geld für notwendige Reparaturen. Die Bühne wurde daher nur noch selten für Veranstaltungen genutzt. Erneute Versuche des Bezirkes, die Bühne zu nutzen, scheiterten kläglich. „Angezündete Müllcontainer, herausgerissene Kabel, Glasscherben und verrottete Requisiten. Zwischen den Sitzbänken sind schon kleine Birken- und Kiefernbäume gewachsen. Unkraut schießt in die Höhe. Zwei große Graffitibilder sind auf die Bühnenwände gesprüht. Die Tür des kleinen Holzhäuschens am oberen Bühnenrand ist aufgebrochen. Kerzenstümpfe, leere Flaschen, ein Paar Schuhe und eine Decke liegen auf dem Boden – für Privatpartys mit Lagerfeuer und als Notunterkunft für Obdachlose taugt die Freilichtbühne allemal.“ So schrieb die Berliner Zeitung am 9.3.2001 über den verlassenen Ort in den Rehbergen. Das Bezirksamt verkaufte die Bühne schließlich 2007 entnervt für einen Euro.
Der neue Besitzer, Theaterproduzent Bernd Motschmann, holte die Perle aus dem Dornröschenschlaf. Er ließ die Bühne für 150 000 Euro denkmalgerecht sanieren. Und so konnte im Jahr 2009 der „Räuber Hotzenplotz“ in den Rehbergen aufgeführt werden– das Stück, mit dem Bernd Motschmann schon einmal eine heruntergewirtschaftete Freilichtbühne in Lübeck zum Laufen gebracht hatte.
Digitales Kinovergnügen
Im gleichen Jahr begann auch der Betrieb des Freilichtkinos unter der Leitung von Piffl Medien, die auch schon mit Freiluftkinos in Kreuzberg und Friedrichshain viele Erfahrungen mitbringen. Der Filmverleih bewirbt “das schönste Kino” im Berliner Norden wie folgt: „1.500 Plätze unterm Sternenhimmel laden zum entspannten Filmvergnügen ein. In lauen Sommernächten bieten wir eine abwechslungsreiche Mischung aus Hollywood und Independent Kino.“ Meist handelt es sich um aktuelle Filme, die in den großen Multiplexen schon nicht mehr laufen. Nicht ohne Stolz zeigt mir der Betreiber den neuen Vorführraum, der in diesem Jahr mit 70.000 Euro teurer neuer digitaler Vorführtechnik vollgestopft ist – heller ist jetzt die Projektion und zudem gestochen scharf. Piffl Medien glaubt an diesen verwunschenen, noch viel zu wenig bekannten Standort, denn in jeder Saison kommen ein paar Besucher mehr als im Vorjahr.
Ich freue mich, dass die Freilichtbühne wieder genutzt wird. „Zerstört“ und zugemüllt wird sie allenfalls noch bei der Aufführung der „Rocky Horror Picture Show“ im Spätsommer. Und gleich gegenüber gibt es mit der „SchAtulle“ auch wieder Gastronomie am Standort des früheren Parkrestaurants „Gulliver“. – Die Rehberge sind wieder ein Anlaufpunkt für Veranstaltungen – auch wenn es vorerst keine Theatervorstellungen gibt.
Nur eine Frage stellt sich mir, als ich nach dem Kino durch den dunklen Zauberwald nach Hause gehe: wo ist eigentlich Bambi?
Zugang vom Nachtigalplatz: Parkeingang Petersallee
U 6 Rehberge oder Afrikanische Str., Bus 221 Nachtigalplatz
Eintritt regulär 6,50 Euro (keine Ermäßigung)
Programm des Freiluftkinos im Jahr 2013
Über die Geschichte des Volksparks Rehberge
