2016 wird sich das Stadtbild in vielen Teilen Berlins spürbar ändern. Denn am 31. Juli 2016 erlöschen die Konzessionen für die Spielhallen in der Stadt. Und das Berliner Spielhallengesetz, das im Mai 2011 in Kraft trat, sieht für neue Betriebserlaubnisse wesentlich schärfere Regeln vor. So wird nur noch maximal eine Spielhalle mit höchstens acht Geldspielautomaten pro Gebäude erlaubt sein. Viele der großen Casinos, die bislang mit Mehrfachkonzessionen mehrere Spielhallen nebeneinander betreiben, müssen also schließen. Darüber hinaus soll künftig ein Mindestabstand von 500 Metern bis zur nächsten Spielhalle gelten – und auch zu Schulen, Kindergärten und Jugendeinrichtungen.
Mehr Mut zum Experiment

Nur auf den ersten Blick ein Casino, hier wird lieber mit Worten gespielt.
Der zuständige Bezirksstadtrat Carsten Spallek (CDU) schätzt, dass knapp die Hälfte der Spielhallen im Bezirk schließen müssen. Vertreter der Branche befürchten sogar, dass künftig nur noch 50 von 500 Spielhallen in Berlin weiter existieren. Sie haben ihre Klage gegen das Gesetz vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin im Juni 2015 verloren.
Auch die Hauseigentümer werden Abstriche machen müssen. Denn ähnlich hohe Mieteinnahmen wie von den Spielhallen werden sie für ihre Ladenlokale nicht mehr erzielen. Diese liegen, wie sich in den Aktiven Zentren Müllerstraße und Turmstraße gut beobachten lässt, oft in den Randzonen der klassischen Geschäftsstraßen: an der oberen Müllerstraße etwa oder an ihrem südlichen Ende oder in der Moabiter Stromstraße und in den Seitenstraßen sowieso. In den späten 2000er Jahren verstärkte sich vor allem in diesen Gebieten der Leerstand von Läden. Angesichts der Konkurrenz von Shopping- Centern und Internethandel schrumpften damals die Geschäftsstraßen sozusagen auf ihre Kernbereiche zurück. In die Lücken an den Rändern stießen dann oft solche Gewerbe wie Spielhallen und Wettbüros, denn sie waren noch am ehesten in der Lage, höhere Ladenmieten zu bezahlen. Diese Entwicklung wurde von den Anwohnern jedoch als Signal des Niedergangs ihrer Quartiere wahrgenommen. Unter großem öffentlichen Druck entstand deshalb noch vor der Berliner Wahl 2011 das Berliner Spielhallengesetz. Nur die FDP hatte es damals abgelehnt.
Jetzt stellt sich die Frage, welche Gewerbe die erneut entstehenden Lücken füllen werden. Der klassische Einzelhandel wohl kaum – er hat sich ja nicht grundlos aus diesen Lagen zurückgezogen. Und die neuen “Showrooms” und “Pop-Up-Stores”, die in Berlin derzeit Furore machen, bevorzugen eher smarte, angesagte Lagen wie in Alt-Mitte oder die City-West, Kreuzberg oder Neukölln. Solche Läden werden tage- oder wochenweise vermietet: An “Labels” aus der internationalen Kreativbranche, die dort ihre Produkte kurzzeitig präsentieren und ansonsten im Internet vertreiben.
In den Wedding oder nach Moabit haben sich bislang nur vergleichsweise wenige getraut. Das Fashion-Gewerbe zieht es vom Zentrum her eher in südliche Bereiche. Für Moabit und Wedding könnte man sich aber andere Branchen vorstellen, in denen der Norden des Bezirks Mitte seine Stärken hat: Technik zum Beispiel, oder Gesundheit. Wünschenswert wäre es, wenn die Immobilien-Eigentümer auch die Potenziale von Zwischennutzungen (auch kulturellen) oder jungen Existenzgründungen entdecken können. Die zahlen vielleicht nicht so viel wie eine Spielhölle – aber auf lange Sicht machen sie den Kiez für alle wesentlich lebenswerter.
Text: Christof Schaffelder
Der Artikel wurde zuerst in der aktuellen Ausgabe “Ecke Müllerstraße” 08/2015 veröffentlicht.
Spielcasinos in der Brunnenstraße
Einsortiert unter:Dein Kiez, Kolumne
